Fat Man (englisch für Dicker Mann) war der Deckname des Mark-3-Kernwaffen-Designs, das im Rahmen des Manhattan-Projektes von US-amerikanischen, britischen und kanadischen Wissenschaftlern entwickelt wurde. Die erste Kernwaffenexplosion der Geschichte am 16. Juli 1945, der Trinity-Test, beruhte auf diesem Entwurf. Eine Fat-Man-Bombe wurde am 9. August 1945 von einem US-amerikanischen B-29-Bomber der 509. Composite Group namen "Bockscar" abgeworfen und explodierte um 11:02 Uhr über der japanischen Stadt Nagasaki, die weitgehend zerstört wurde.
Die Bombe explodierte rund 550 Meter über dicht bewohntem Gebiet und entwickelte eine Sprengkraft von etwa 21 Kilotonnen TNT. Sie war nach der drei Tage zuvor abgeworfenen Little Boy die zweite – und zugleich letzte – in einem Krieg eingesetzte Atomwaffe. Die Mark-3-Kernwaffe war die erste Kernwaffe, welche die Vereinigten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg in größerer Stückzahl in ihr Arsenal aufnahmen. 1946 und 1948 fanden fünf weitere Kernwaffentests mit diesem Typ statt. Die erste Kernwaffe der Sowjetunion, genannt RDS-1, war eine Kopie des Fat-Man-Entwurfs, der durch Spionage in die Sowjetunion gelangt war.
Dem Einsatz von Kernwaffen gegen Japan gingen große Diskussionen in den Vereinigten Staaten voraus, ob und wie man die Waffen gegen Japan einsetzen sollte. Einer der entschiedensten Gegner war der Physiker Leó Szilárd, der starke Lobbyarbeit unter Politikern und Wissenschaftlern gegen den Einsatz betrieb. Auch im Militär gab es Widerstand, so sprach sich Dwight D. Eisenhower gegen den Einsatz aus, weil er unter anderem ein Wettrüsten mit der Sowjetunion befürchtete. Auch Curtis LeMay war nicht vom Einsatz überzeugt, jedoch hauptsächlich deshalb, weil er mit seinen konventionellen Bombenkampagnen das gleiche Ziel erreichen konnte und daher keine militärische Notwendigkeit sah. Viele der Kritiker sprachen sich für eine Demonstration der neuen Waffe vor der Weltöffentlichkeit einschließlich Vertretern aus Japan aus.
Jedoch setzten sich die Befürworter des Einsatzes durch. Diese hielten es für unsinnig, 2 Milliarden US-Dollar für die Entwicklung einer Waffe auszugeben, um sie dann nicht einzusetzen. Weiterhin hoffte man, den Krieg so schnellstmöglich beenden zu können, um den alliierten Truppen die für den Herbst 1945 angesetzte Landung auf den japanischen Hauptinseln zu ersparen, bei der man hohe Verluste unter den eigenen Truppen befürchtete. Ein weiterer Grund war, dass die Sowjetunion zugesagt hatte, Japan im August 1945 den Krieg zu erklären. Durch ein schnelles Kriegsende wollte man große sowjetische Gebietsansprüche in Ostasien verhindern und die eigene Position stärken.
Im August 1943 begann man in den Vereinigten Staaten mit der Modifizierung von B-29-Bombern für den Einsatz mit den in Entwicklung befindlichen Kernwaffen. Die Produktion des neuen Bombers war gerade angelaufen, die Standardvariante konnte jedoch nicht die schweren Bomben tragen. Das Leergewicht der modifizierten Bomber wurde reduziert und eine spezielle Bombergruppe (509th Composite Group) unter dem Kommando von Paul Tibbets aufgestellt, welche die nötigen Flugmanöver für die Atombombenabwürfe ausarbeiten sollte.
Um Erfahrung mit der Ballistik des Fat-Man-Bombenkörpers zu erhalten und Piloten die Möglichkeit zum Üben mit der ungewöhnlich geformten Bombe zu geben, wurde die sogenannte Pumpkin Bomb („Kürbisbombe“) entwickelt. Sie war eine konventionelle Bombe mit den ballistischen Eigenschaften des Fat-Man-Entwurfs und wurde ebenfalls im Rahmen des Manhattan-Projekts entwickelt. Im Laufe des Zweiten Weltkrieges wurden 49 der 486 gebauten Pumpkin Bombs über Japan abgeworfen.
Ein spezielles Komitee zur Zielauswahl unter Leitung von Groves wurde gegründet. Weiterhin gab es ein Komitee (Interim Committee) unter der Leitung von US-Kriegsminister Henry L. Stimson, das sich mit der Atompolitik nach dem Krieg befasste, aber auch den Einsatz über Japan diskutierte. Stimson fasste das Ergebnis eines Treffens am 31. Mai 1945 folgendermaßen zusammen: Der Minister äußerte die abschließende Erklärung, über welche es allgemeine Zustimmung gab, dass wir den Japanern keinerlei Warnung geben können; dass wir uns nicht auf ein ziviles Ziel konzentrieren können; aber dass wir versuchen sollten, einen möglichst tiefgreifenden psychischen Eindruck auf so viele Einwohner wie möglich zu machen. Auf den Vorschlag von Dr. Conant stimmte der Minister zu, dass das bestmögliche Ziel eine kriegswichtige Fabrikanlage sei, welche eine hohe Anzahl von Arbeitern beschäftigt und dicht von Arbeiterhäusern umstanden ist.
Als Ziele wurden zunächst Hiroshima, Niigata, Kokura und Kyoto diskutiert. Auf Stimsons Drängen hin wurde aber Kyoto wegen dessen kultureller Bedeutung fallengelassen (er hatte Kyoto während seiner Flitterwochen besucht).
nders als bei Little Boy, dessen Komponenten auf der USS Indianapolis transportiert wurden, erreichten die Teile für Fat Man das Tinian-Flugfeld per Flugzeug. Der Plutoniumkern und die Neutronenquelle verließen Kirtland Field in den Vereinigten Staaten am 26. Juli 1945 und erreichten Tinian am 28. Juli 1945. Am gleichen Tag verließen drei speziell umgerüstete B-29 Kirtland und transportierten drei Fat-Man-Bombenkörper (F31, F32 und F33) nach Tinian. Einheit F33 war die für den Einsatz vorgesehene Bombe. Auf Tinian wurde die Bombe aus den Einzelteilen zusammengebaut und war am 5. August 1945 bereit. Der Einsatz war zunächst für den 11. August 1945 vorgesehen, durch angekündigtes schlechtes Wetter wurde der Abwurf aber auf den 9. August vorgezogen, drei Tage nach dem Einsatz von Little Boy gegen Hiroshima. Man verzichtete daher während des Zusammenbaus auf einige Tests an der Bombe, um sie schnellstmöglich einsatzbereit zu bekommen.Eigentlich sollte der Bomber The Great Artiste den Einsatz fliegen. Weil dieses Flugzeug aber noch mit Messgeräten aus dem vorherigen Einsatz über Hiroshima ausgestattet war und ein komplizierter Umbau vermieden werden sollte, wurde einfach die Mannschaft mit der des Bombers BOCKSCAR getauscht. So flog die Mannschaft der The Great Artiste die BOCKSCAR mit der Bombe und die Mannschaft der BOCKSCAR die The Great Artiste mit den Messgeräten.
Am 8. August 1945, dem Tag der Kriegserklärung der UdSSR an Japan, wurde die Fat-Man-Bombe in den Bombenschacht der Bock’s Car geladen. Am Morgen des 9. August startete der Bomber um 3:47 Uhr Ortszeit zum Primärziel Kokura. Kurz nach dem Start bemerkte die Besatzung der Bock's Car unter dem Kommando von Major Charles Sweeney, dass der 600-Gallonen-Reservetank des Flugzeugs nicht zur Verfügung stand. Um 10:47 Uhr Ortszeit erreichte der Bomber Kokura. Jedoch lag die Stadt unter dem dichten Dunst eines konventionellen Bombenangriffs in der Nachbarschaft der Stadt. Daher konnte die Besatzung den geplanten Zielpunkt nicht sehen. Weiterhin flammte Flakfeuer auf und japanische Jagdflugzeuge stiegen auf, so dass Sweeney beschloss, das Sekundärziel Nagasaki anzusteuern. Nagasaki lag ebenfalls unter Wolken und die Besatzung hatte die Anweisung, nur auf Sicht zu bombardieren. Weil aber der Treibstoff für den Rückflug zur Neige ging, musste die Besatzung die Bombe abwerfen. Eine Wolkenlücke ermöglichte schließlich den Abwurf auf Sicht, allerdings mehrere Kilometer vom eigentlichen Zielpunkt entfernt.
Die Fat-Man-Bombe explodierte um 11:02 Uhr Ortszeit in etwa 503 m Höhe, direkt über der Mitsubishi-Waffenfabrik, am Rande zu unbesiedeltem Gebiet. Die Ausbreitung der Schockwelle wurde durch Hügel in der Nähe des Abwurfpunktes gebremst, so dass die Auswirkungen der Explosion gedämpft wurden. Dennoch starben mindestens 70.000 Menschen durch den Einsatz. Jüngere Analysen legen eine Sprengkraft von 21 kt nahe, gegenüber den 16 kt von Little Boy über Hiroshima. Von der freigesetzten Energie wurden etwa 60 % in der Schockwelle, 35 % als Wärmestrahlung und 5 % als ionisierende Strahlung abgegeben. Durch die große Explosionshöhe gab es über Japan kaum radioaktiven Fallout der Explosion. Jedoch erkrankten viele Menschen wie auch in Hiroshima an der Strahlenkrankheit, die durch die bei der Explosion abgegebene Neutronen- und Gammastrahlung verursacht wurde.
Über die genauen Todeszahlen liegen unterschiedliche Angaben vor, 1953 kam die US-Strategic Bombing Survey zu den Zahlen 35.000 Tote, 60.000 Verletzte und 5.000 Vermisste. 1960 veröffentlichte die japanische Regierung die Zahlen 20.000 Tote und 50.000 Verletzte, was aber später auf 87.000 Tote korrigiert wurde. Andere Quellen sprechen von ungefähr 35.000 bis 40.000 Toten.
Viele Menschen starben infolge der Strahlenkrankheit oder wurden entstellt. Solche Menschen werden in Japan Hibakusha (explosionsgeschädigte Person) genannt. (Schätzungen 1946: ~75.000 – 1950: ~140.000)
Der nächste Bombenkern für eine Fat-Man-Bombe war am 13. August bereit zum Versenden nach Tinian. Weitere Bombenkörper befanden sich bereits auf der Insel. Die nächste Bombe wäre zwischen dem 17. und 20. August einsatzbereit gewesen. Nach dieser dritten Bombe hätte es eine kurze Pause bei der Verfügbarkeit von etwa drei Wochen gegeben, danach hätte man etwa alle zehn Tage einen Bombenkern liefern können. Nach dem Einsatz gegen Nagasaki hatte jedoch Präsident Truman bereits beschlossen, keine weiteren Kernwaffen gegen japanische Städte einzusetzen. Man war sich zunächst unsicher, ob die Bombardierungen die gewünschte psychologische Wirkung zeigten. Falls Japan nach den beiden Einsätzen nicht kapitulieren sollte, beschloss man, die Bomben im taktischen Sinne bei der bevorstehenden Invasion gegen japanische Truppen einzusetzen. Jedoch kapitulierte Japan schließlich am 17. August 1945.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Fat_Man
Videos: Atombomben beendeten USA-Japan-Krieg
Der lange Weg zu Little Boy und Fat Man
Tsar Bomba - Not The Most Powerful
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen